Mittwoch, 6. Januar 2021

Was mal war und nicht mehr ist, eine Arche







































Was mal war und nicht mehr ist, eine Arche

stellt`s euch vor. Ihr fahrt in eine Stadt im Westen Deutschlands. Von dieser Stadt habt ihr vorher noch nichts gehört. Ihr fahrt mit dem Schnellzug ein und seht gaaaanz hinten am Hang eines komplett bebauten Berges ein Haus. Es fällt auf, weil es bunter als die anderen und gaaaanz anders aussieht. Schon jetzt steigt Freude und Aufregung in euch, weil ihr es kaum erwarten könnt. Ein sehr freundlicher Mann holt euch mit eurer Oma am Bahnhof ab und schon im Auto fängt das Wunderliche an. Ihr seid vielleicht 7 oder 8. Ein mini Fernseher zwischen den vorderen Sitzen, wir 3 Kinder konnten ernsthaft in den 90gern schwarzweiß mit Antenne im Auto fernsehen. 15 min später durften wir einen Knopf drücken und sehen vom Fuße der Straße wie ein gläsernes Tor elektrisch aufschwenkt. Wir fahren eine Auffahrt nach oben rechts in eine 6 eckige Garage und das Tor geht wie von Zauberhand zu. Auf der linken Seite stand das Auto meiner Oma, quasi gespiegelt. Wir gehen durch eine megaa schwere riesige gläserne Schwenktür. In meiner Erinnerung ist einfach alles bunt und alles hell. Wenn man jetzt die Fotos sieht ist alles bunt aber dunkel. 

Das Haus ist in grün, orange und lila gestrichen. Insgesamt gibt es 4 riesige Wohnungen und wir können uns aussuchen ob wir links oder rechts die samtweichen grünen Treppen hochlaufen. Auf jeder Ebene finden sie wieder zusammen. Die unteren Wohnungen bestehen aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einer Küche und Bad. Jede Wohnung ist für sich einzigartig und individuell. Was gleicht, sind Lichtschalter am Boden, mein neuer Opa begründete dies so. "Wenn man nach Haus kommt, hat man oft die Hände voll mit Einkaufstüten, mit Taschen oder Jacken. Du kannst also mit dem Fuß die Lichtschalter betätigen."

Auch alle Steckdosen waren dort in der Fußbodenleiste integriert oder auch hinter versteckten Metallklappen auf dem Fußboden. Auch die Toilettenspülung war auf dem Boden. Du bist mit dem Fuß auf eine Art gummierten kleinen Kreis getreten und hast so die Spülung in Gang gesetzt. Gespült wurde ausschließlich mit Regenwasser welches auf dem Dach gesammelt wurde. Und wir spülten oft. Wir Kinder saßen ehe verhältnismäßig oft auf dem Klo, weil wir von da aus ernsthaft fernsehen konnten. Man hätte glauben können das der Mensch, der sich dies alles einfallen lies, sehr gern fernsah. Ich glaub am liebsten erklärte er uns seine Welt, hörte Klassik und lies es sich mit Büchern, mit Zeitungen, mit basteln, entwerfen und tüffteln gutgehen. Dieser neue Mann in unserem Leben, erweiterte den Horizont zweier kompletter Familien und hinterließ maßgeblich Eindruck und Einfluss auf uns Kinder. Ich denke mein Bruder studierte wegen ihm Architektur. Denn er war Architekt. Was sollte er auch anderes sein, bei diesem äh Haus? Dieses Haus wurde gebaut für ein Ehepaar, welches viele Kinder erwartete. Leider starben beide Frauen meines neuen Opas bevor es dazu kam. Also blieb dieses Haus bis zum Zeitpunkt an dem meine Oma in sein Leben trat diesbezüglich ungenutzt.

Im Treppenaufgang konnten wir in der ersten Ebene in der Wand den Fischen in einem Aquarium beim Sein zuschauen. In der zweiten Ebene konnten wir meiner Oma unter den Rock schauen wenn sie in der Küche am 6 eckigen freihängenden Herd kochte. Alle Fliesen waren 6eckig. Jede Wascharmatur war grün, gelb oder orange und auch von der Form schlicht und untypisch für diese Zeit. Mülleimer suchten wir vergeblich. Du hast ihn durch eine Klappe in der Wand direkt in die Mülltone im Keller befördert und mit der Wäsche lief dies ebenso. Eine größere Klappe im Bad war für Wäsche, die direkt vor der Waschmaschine im Keller landete. Es gab so etwas wie die parallele zu der Welt in der wir lebten. Eine Art Schaltzentrale, von der die Fische per Automaten gefüttert wurden, in der eine Werkstatt und die etlichen Schätze gelagert wurden. Es gab Gänge die nie zu enden schienen. Hier und da machte es peng, weil eine selbstgemachte Weinflasche explodierte. Mein Opa lachte dann. Er war sehr froh. Selbst wenn er totterte war er fröhlich und gefühlt konnte er nie ernst mit uns sein. Er war und ist einer der liebsten, empathischsten und hilfsbereitesten Menschen die ich kennenlernen durfte. Ich bewundere ihn.
Ich bin beeindruckt von seinen Kontrasten. Wie kann jemand so gläubig sein und trotzdem so ein Freigeist? Habe ich schon erzählt, das es einen Luftschutzbunker gab? Wirklich. Einen doppeltürigen Bunker. In dem alles notwendige war. Es gab ein Telefon zum kurbeln an der Wand mit dem man in der oberen Wohnung anrufen konnte. Wir spielten dort ohne zu wissen, das dieser Raum aus einer realen Angst erbaut wurde.

Es gab ein Schwimmbad welches sich im Bau befand, es hatte eine Plexiglasdecke. So konnten wir von unten nach oben in die Wohnung meinerGroßeltern schauen, in einenWintergarten, der von unten wie ein Wäldchen aussah.
In jedem Raum gab es mindesten zwei Türen. Du konntest also immer im Kreis laufen 
und sehrgut fangen spielen. Verstecke spielten wir selten, denn dort hätten wir uns nie gefunden. Am Anfang hatte ich ernsthaft Angst in dem Haus verloren zu gehen. Auch in jedem Zimmer vorhanden, eine Wand, komplett aus Glas. Möbelstücke und Fundstücke voller Geschichte. Ich saß als Kind ganz oft an seinem Schreibtisch und habe mich wie eine Königin gefühlt. Von dort konnte ich das wichtigste der Wohnung überblicken und mein neuer Opa hat mir beigebracht wie man buchhält. Das habe ich dann bei jedem neuen Besuch für ihn gemacht und es war einfach wunderbar. Es hat nach Leder und altem Holz gerochen. 

Mein neuer Opa und meine alte Oma (die zu dem Zeitpunkt ungefähr knapp 60 waren) haben mit mir als 16jährige selbstgemachte Fruchtweine verkostet. Ich dufte rauchen, zusammen mit ihnen. Mit meinem Opa rauchte ich meine erste Zigarre. Er zeigte mir wie man Pfeife stopft und raucht. Jetzt muss ich weinen. Weil es schmerzlich klar ist, das diese Zeit ein für alle mal Geschichte ist. Für jeden von uns. Für meine Oma, meinen Opa, für mich. Wir saßen mal stunden bis in die Nacht in dem einen oder in dem anderen Wohnzimmer. Insgesamt gab es in ihrer Wohnung 3 davon. Ein kleines antikes kuscheliges mit Kaninchen Fellen, ein großes lichtes und bepflanztes und ein wintergartenartiges mit Gaaaanz viel Glas. Dort zeigte mein neuer Opa uns die Sterne. Dort lag er am Tag und las in seiner Zeitung mit klassischer Musik im Hintergrund. Er war so interessiert und offen für alles und jeden. Er ging in eine Domschule für Jungen er lebte in Paris als er 17 war und lebte nun in einer sehr konservativen Stadt, seiner Geburtsstadt und war glücklich und mit sich im Reinen.
Nie hatte jemand in meiner Familie so mit sich im reinen geschienen wie er. Wir grillten Marshmellows und Würstchen über einem Grill, der aus der Mitte eines Teiches im Wohnzimmer ragte. Gleichzeitig hatten wir die Füße im Wasser und fütterten Schildkröten und Fische. Oder wir spielten Schach, denn die geflieste „Sitzbank“ um den Teich herum bestand aus lauter Brettspielen aus Mosaikfliesen. 

Wenn wir zu Besuch bei meinen Großeltern waren, war klar. Hier wird entspannt und ganz viel entdeckt. Mein Opa kannte alles und jeden. Gefühlt hatte er alles erlebt und jeden gekannt. Wir besuchten den Fuldarer Dom, wir fuhren auf die Wasserkuppe und diese für uns alten Menschen stapften mit uns Stunden durch den Schnee, bauten so viele Schneemänner und fuhren Schlitten bis alles nass war und wir schliefen auf dem Rückweg beim fernsehen im Auto ein. Er schnallte seine 3 Kanus auf das Dach seines Mercedes und wir fuhren auf der Fulda durch die Stadt. Wir wanderten mit ihnen Stunden durch die Wälder, die Berge hoch, Wege und Zäune ignorierend. Die Neugierde und das Interesse für alles Neue lies ihn nie los. Er reiste vor meiner Oma an die entlegensten Orte, dann nahm er sie auf seine Reisen mit. Auch wir Kinder oder meine Mutter konnten mitreisen und uns wurde sehr viel geschenkt. Zeit und Neues. DANKE DAFÜR
Von allen Balkonen konntest du über die Stadt schauen und an Silvester hattest du die schönste Aussicht auf das Feuerwerk. 

Auch auf den Balkonen gab es kleine Teiche, natürlich waren die 6eckig. Mein Opa erzählte mir davon das er auf die gegossenen Betonwände des Balkons ein Patent angemeldet hatte und die danach noch oft von anderen Architekten verwendet wurden. Oft erzählte er, er hat das und das erfunden und ich will ihm das noch immer glauben. Bei ihm durfte man an die Wände schreiben. Mit Bleistift , damit man es wieder wegkriegt. Es gab ein Zimmer das nur aus Spiegeln bestand. Dort waren alle Klamotte und viele Bücher in Schränken verstaut.
In jedem Zimmer bist du mit Gott in Kontakt gekommen. Manchmal gruselte mich dieser Typ am Kreuz oder diese Frau die mit gefalteten Händen ernst auf uns herab sah. Es gab eine Bar an der wir Kinder unseren Eltern und Großeltern „Drinks „ mixten“ und wir telefonierten oft von Raum zu Raum und freuten uns soooo sehr, dass sowas ging. 

Es gab das Bad meiner Großeltern. Es war das Krass. Es gab eine riesige 6eckige Badewanne. In der Wand war ein Fernseher. Rings um uns war alles voller rankenden Pflanzen und Springbrunnen die auf uns nieder regneten und über uns ein Fenster bestehend aus vielen prismenförmigen Plexischeiben, die man bei gutem Wetter wegschieben konnte und man unter freiem Himmel lag. Im Raum nebenan eine Sauna. Die war ziemlich gewöhnlich, fast schon langweilig : )


vielleicht gehts hier mal weiter, grad war diese Fahrt rückwärts schön und emotional

erstmal n Sonnengruß machen ey

oder n Vino


tschau



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