Mittwoch, 3. März 2021

Abriss

 



Der erste Teil war spannend und bunt, wie eine Kindheit sein sollte. Nachdem ich diesen geschrieben habe, ein bisschen Zeit und Austausch mit Menschen darüber stattgefunden hat, bin ich mir darüber bewusst geworden das dieser Mann der erste Mann in meinem Leben war der mich und uns bedingungslos liebte. Der mir keine Angst machte und dazu noch nicht einmal wirklich mit uns verwandt war. 
Wenn ich die Beziehung zu anderen erwachsenen Männern in meinem Umfeld überdenke, war da immer eine gewisse Angst, auch wenn sie noch so klein war, war sie da

Bei diesem Menschen, waren nur Geschichten und diese empfingen wir auf Augenhöhe. Genauso wie wir uns für seine Geschichten interessierten, liebte dieser Mensch es von uns zu lernen und staunte über gameboys über digitale Kameras über alles was wir mitbrachten und probierte es aus.

Ich grabe in meinem Hirn und glaube, wir sind schon fast am Ende des Rundganges durchs Haus angekommen. Das Schlafzimmer meiner Großeltern war soweit ich weiß dunkel lila mit weißen chippendale Möbeln, dort waren wir nicht oft, nur wenn wir fange spielten, rannten wir durch und kamen von einem Wintergarten zum anderen. In dem Kleineren verbrachten wir immer etwas mehr Zeit, denn dort gab es neben einem Tagesbett, zum in den Himmel schauen, eine Kommode die voll mit Süßkram und Knabbereien war. 

Nun sind wir einmal grob durchs Haus und intensiver durch die Wohnung meiner Großeltern gelaufen. Mir fällt gerade noch ein, dass ich mit meinem Bruder unbedingt im Garten einen riesigen und kugelrunden Buchsbaum Strauch verschneiden wollte, in? Hä, na Herzform. Wir waren super erzogen, deswegen fragten wir meine Oma natürlich vorher, sie sagte nein. Hmm… Wir mussten es einfach tun. Und das Ding sah auf jeden Fall aus wie alles mögliche, nicht aber wie ein Herz. Jap, wir bekamen sehr viel Ärger. Aber nur kurz und mein Opa? der schmunzelte hinter dem Rücken meiner Oma in sich rein. Es gab im Wohnzimmer eine Wand voller Uhren, von Besuch zu Besuch schlug nicht mehr jede Uhr oder der Kuckuck kam nur noch selten zum Vorschein. Ich bekam eine Armbanduhr von seiner Mutter. Sie war wunderschön zart und ich habe sie immer getragen, leider liegt sie nun am Strand von Portugal begraben. Da will ich auch nicht drüber nachdenken. Verdrängen kann ich wohl gut. 

Wer nicht?! 

Ich weiß auch das unsere Oma mit mir und meinem Bruder von Fulda nach Zahsow fuhr, als meine Familie aus der Platte in Cottbus in ein Einfamilienhaus auf dem Dorf zog. Wir verbrachten den Umzug in Fulda und kamen in dem grünen alten Benz nach Zahsow gefahren. Mein Bruder links, ich rechts hinten und ein großes Einweckglas voll mit lebenden Fischen zwischen uns. Vor uns natürlich ein kleiner Fernseher zum gucken und schlecht werden, ich glaub mein Bruder hat gekotzt. Aber ey, is lang her, könnte auch unwahr sein. Ich frag mich gerade ob es noch so eine Zeit war in der man im Auto rauchen konnte, obwohl Kinder im Gepäck waren. Denn dann rauchte meine Oma wahrscheinlich. An dieser Stelle muss ich kurz erwähnen das meine Oma einfach eine Bombe war. Im Wahrsten Sinne, sie war wunderschön, hatte mega Bock auf Ausdruck durch Kleidung, hat se super hingekriegt und diese Frau sah beim rauchen und Wein trinken aus wie eine grande Dame : )

Mir fallen noch eine Menge Geschichten ein, wobei ich dachte, wir könnten es hier beenden. Meine Oma hatte Schränke voller Kleider, voller Taschen voller 1A vintage Kram. Ich habe es geliebt in Pelze zu schlüpfen, Ballkleider und hohe Schuhe anzuprobieren, vor dem Spiegel auf und ab zu gehen. Egal wie alt ich war, mit jedem Besuch wurden die Schränke neu begutachtet und ich fragte sie nach dem Gürtel und nach der Tasche, denn die waren dann ernsthaft wieder IN? Ich werd alt, ich glaube IN sagt man nicht mehr…

Während ich schreibe trinke ich Cremant und höre CatPower, interpol oder damien rice, dies macht sicher etwas emotional. Also entschuldigt, wenn ich mich wiederhole.

Ich habe meinen Opa nie schlecht über jemanden sprechen hören, ich glaube er hat wirklich jeden Menschen mit einem offenen Herzen, Auge empfangen und wertgeschätzt. Macht sowas der Glaube? Meine Mutter und ich haben ihn, der ja wirklich sehr gläubig ist, an Weihnachten mit in die Kirche begleitet. Einfach aus Interesse. Ich fand es so schrecklich und schlimm und habe mit meiner Mutter kurze Blicke gewechselt, wir sind aufgestanden und rausgegangen weil wir so weit weg von alldem waren. Mein Opa hatte Verständnis, kam mit uns und wollte unsere Ansichten hören, es hat ihn wirklich interessiert ohne zu urteilen.

Irgendwann hörte ich auf, mit meiner Familie nach Fulda zu fahren, ich nahm meine Freunde mit. Alle die mir lieb waren, waren mindestens einmal dort gewesen und mindestens halb so verliebt wie ich in dieses Haus und meine Großeltern. Umso älter ich wurde, des so weniger besuchte ich die beiden. Eher seltener passte es noch in mein Leben und nun bin ich traurig darüber. Der Zustand des Hauses und der Zustand meines Opas verschlechterte sich wohl gleichermaßen. Darüber kann ich nicht ausführlich schreiben, weil ich in dieser Zeit noch weiter weg wohnte und eine eigene kleine Familie bekam. Traurig und schön. 

Mein Opa wurde älter und kränker und somit blieben Reparaturen am Haus aus. 

Er sagte früher immer, dass mache ich wenn ich mal Zeit habe. Er hatte da wirklich noch sehr viel vor. Erst jetzt bekam ich geplante Zeichnungen in die Hände auf denen das vollendete Haus zu sehen war. So weit kam es leider nicht. Irgendwie denke ich, wäre es vollendet gewesen, hätte es unter Denkmalschutz gestanden. Quark das wäre mindestens Weltkulturerbe gewesen worden. Verständlich ist sicherlich auch, dass ich zu diesem harten Zeug hier, mindestens 1 Glas Wein trinke. Verzeiht also wenn ich auf Grammatik und Rechtschreibung scheiße.

Die Familie entschied, dass es Zeit wurde das Haus zu verlassen und meine Großeltern leben nun in meiner Heimatstadt. Das Haus wurde von der Familie ausgeräumt und ich war nicht dabei. 
Ich schaukelte eine winzige Heidi auf dem Arm und bin traurig darüber, nicht dort gewesen zu sein.

Das Haus wurde verkauft und abgerissen. 

Dort wo selbst über maps erkennbar war, dass dort etwas seltsames vor sich geht, ist nichts mehr. 
Und nichts heißt in dem Fall, NICHTS.

Einfach ausgelöscht, als wären wir nie dort gewesen, als hätte es uns in diesem Haus nie gegeben.

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